„Korrekturreflex“ abschalten oder: Was eine Liebesformel mit guter Führung zu tun hat
In einem meiner wunderbaren Führungskräftetrainings zu Führungskommunikation und motivierender Führung habe ich ein neues, demotivierendes Wort kennengelernt: Korrekturreflex.
Gemeint war, immer (!) etwas Schlechtes zu finden. Beispiel: Super Projekt. Eine Woche vor Deadline fertig. Fast alles mega gelaufen. Aber eben nur: fast! Ein, zwei kleine Sachen nicht. Worauf reitet dann besagte Führungskraft der Führungskraft, die die Anekdote zum besten gab, beim fröhlichen gemeinsamen Anstoßen auf das Projekt herum? Genau, auf den ein, zwei Sachen, die nicht so gut waren.
Kennt ihr auch Menschen, die jedes Haar in der Suppe finden? Für Erfolg in Unternehmen nicht das Beste.
Laut dem Paartherapeuten und Psychologen John Gottman braucht es in einer Beziehung ein Verhältnis von fünf positiven Erlebnissen vs. einem schlechten – die so genannte Gottman-Konstante. Das magische Verhältnisses von 5:1 drückt aus, dass die Beziehung stabil ist, solange es fünfmal so viele positive Interaktionen zwischen zwei Menschen gibt wie negative. Gilt auch für Freundschaften.
Ich kann seine Bücher übrigens empfehlen, ich habe da viel für Kommunikation in allen Lebensbereichen mitgenommen.
Nun sind wir nicht in einer Paarbeziehung in der Firma, aber es gibt ja schlaue Leute, die das Verhältnis auch im wirtschaftlichen Kontext erforscht haben, etwa Barbara Frederickson und Marcial Losada zum Thema „Criticial positivity ratio“. Die beiden kommen dabei auf ein Verhältnis von rund 3:1. Sprich: in erfolgreichen Organisationen kommen auf eine negative Interaktion drei positive.
Auch wenn das schon mal weniger ist als bei Gottman – die Erkenntnis dahinter bleibt gleich: Negative Kommunikation wiegt schwerer als Positive. Hält länger nach. Und regt vielleicht schneller zum Wechseln oder (innerer) Kündigung an.
Positive Kommunikation und Interaktion braucht es wesentlich öfter als Negatives. Nicht umsonst sehnen sich viele Menschen häufig nach mehr Anerkennung und Wertschätzung im Beruf. Also: einfach mal loben. Und so stehen lassen. Feiern. Bestärken.
Übrigens: nicht falsch verstehen – ich bin ein großer Freund davon offen kritische Dinge anzusprechen. Sachlich, möglichst getrennt von der Beziehungsebene. Und von regelmäßigen, gut durchgeführten Reviews und Retrospektiven. Über das Was und Wie, in denen wir AUCH darüber offen sprechen, was noch nicht gut lief – und vor allem das Lernen für die Zukunft von den bisherigen Erfahrungen. Und halte die RRs auch fürs eins der wichtigsten Führungstools überhaupt.
Nur: wenn gute Gelegenheit für Anerkennung und Wertschätzung der Teamleistung ist, dann lieber den Korrekturreflex zu Hause lassen.