Ich erlebe es immer wieder: Menschen sagen zu mir mit voller Überzeugung:
„Ich entscheide rational. Emotionen? Habe ich nicht, brauche ich nicht.“
Genau das ist ein wirklicher Trugschluss.
Denn jede Entscheidung – ob im Vorstand, im Team oder im Alltag – ist durchdrungen von Emotionen und unbewussten Abkürzungen unseres Gehirns. Das heißt nicht, dass wir nicht rational denken können. Aber wir entscheiden wir NIE völlig rational.
Die Neurowissenschaft bestätigt das:
🔹 Antonio Damasio hat mit seiner Somatic Marker Hypothesis gezeigt, dass Emotionen die Wegweiser sind, die uns durch komplexe Situationen leiten. Ohne sie bleiben Entscheidungen blockiert.
🔹 Daniel Kahneman beschreibt in Thinking, Fast and Slow, wie unser schnelles, intuitiv-emotionales System 1 und das langsame, reflektierte System 2 zusammenwirken – und wie dabei Biases entstehen.
Obwohl wir das alle sicher in der einen oder anderen Form schon kennen, überrascht es mich immer wieder beim Zusammenstellen von Trainingsunterlagen, wie viele es sind.
Gerade in Organisationen und Veränderungsprozessen wirken Biases besonders stark:
👉 Loss Aversion – Verluste wiegen schwerer als Gewinne und machen Veränderung unbequem. Im Change: lieber am bekannten Schmerz festhalten als sich aufs unbekannte einlassen.
👉 Status-quo-Bias – wir halten lieber am Bekannten fest, selbst wenn das Neue besser wäre. Ach, ja die „Dauer“-seite im Change bei Riemann-Thomann.
👉 Groupthink – Teams streben nach Harmonie und unterdrücken kritische Stimmen. Psychologische Sicherheit, anyone?
👉 Authority Bias – die Meinung einer Führungskraft wiegt schwerer als Fakten. HIPPO lässt grüßen.
👉 Planning Fallacy – wir unterschätzen Aufwand, Kosten und Dauer von Projekten. Im Change immer wieder ein Thema.
Wir alle tragen diese Biases in uns – und das ist keine Schwäche, sondern Teil unseres Menschseins. Aus neuropsychologischer Sicht haben Emotionen, Heuristiken und Biases viel Vorteile: Sie beschleunigen Entscheidungen, sparen Energie und geben uns Orientierung in komplexen, unsicheren Situationen – auch wenn sie nicht immer objektiv korrekt sind.
Je bewusster wir sie kennen, desto klarer können wir in Führung, Organisationen und Veränderungen handeln. Denn genau wenn wir glauben, frei von Emotionen und Verzerrungen zu sein, wirken sie am stärksten. Daher nehmen wir das Thema auch in unsere Führungskräftetrainings zu Entscheidungen und Veränderungen auf.
Wenn wir anerkennen, dass wir Biases haben, können wir:
✅ unsere Entscheidungen bewusster prüfen,
✅ Teams reflektierter führen,
✅ Organisationen klüger verändern.
Welcher dieser Biases fällt dir bei Führung und Veränderung am stärksten auf?